Für meine erste Rezension wollte ich unbedingt etwas aus der Reihe Sword and Sorceress von Marion Zimmer Bradley nehmen. Die Reihe erschien ab 1984 bei DAW und wurde in gefühlt jede europäische Sprache übersetzt.
Vermutlich kennt ihr eher die deutschen Reihentitel, die alle etwas mit -schwester heißen (Schwertschwester, Windschwester, Zauberschwester…). Damit hat der Fischer-Verlag ganz auf die Vermarktung der Anthologien als feministische Fantasy gesetzt. Über diese Anthologien kursieren viele Vorurteile und falsch-Annahmen, zum Beispiel dass lediglich Frauen dort veröffentlicht haben. Der Herausgeberin war lediglich wichtig, dass Frauen eine zentrale Rolle spielen und mal nicht das Opfer oder „der Preis des Helden für schlechtes Benehmen“ sind. Tatsächlich haben viele Männer dort veröffentlicht und auch die Geschichte, die ich ausgesucht habe, ist von einem Mann.
Bruce D Arthurs Kurzgeschichte hat mich ganz besonders beeindruckt, da sie eine ungewöhnliche Heldin feiert. Aus dem Schreibjahr 1987 begegneten mir noch nicht so viele Hauptfiguren mit körperlichen Behinderungen. Die junge Resti, die verwachsen und deren Gesicht verzogen ist, lebt mit ihren Brüdern in einem Fischerdorf. Als einziges Kind, das auffällig aussieht, ist sie Opfer von Diskriminierungen – das erste Mal in der Geschichte von dem Tod (!), der sie zurück weist.
In solchen Jahren beobachtet man die kleinen Kinder mit besonderer Sorgfalt auf Anzeichen von Fieber, Schwindel und Übelkeit, denn das sind die ersten Anzeichen des Knochenbrechfiebers. […] Und der Tod stand vor den fiebernden Kindern, lächelte und zog das Messer aus der Scheide; und er stieß die dünne Klinge, die keine Wunden verursachte, in ihre Knochen und Gelenke.
Und die Kinder schrien und starben.
Der Tod holt ihre Brüder und sie kämpft das erste Mal vergeblich gegen ihn an. Schließlich verbleibt sie alleine mit ihrem Vater, der sie fortan zu einer Fischerin erzieht. Ihr Vater glaubt durch die schlechten Erfahrungen nicht, dass Resti eine Familie gründen kann, und erwartet, dass sie nach seinem Tod alleine zurück bleibt und auf das Meer hinaus fahren muss.
Als Resti nach seinem Tod alleine in der Hütte lebt und ihren Geschäften nachgeht, wird sie eines Nachts in dem Dorf angegriffen und im Rahmen einer Wette vergewaltigt. Vergewaltigung ist ein gängiges Trope in der Fantasy, war vor über 30 Jahren aber noch weitaus üblicher. Normalerweise führt es zu einem klassischen Revenge-Plot, was hier nicht der Fall ist. Resti erlebt dies als eine weitere von vielen Mißhandlungen, mit denen sie ihr Leben lang zu kämpfen hat, und geht vollkommen in der Erziehung ihrer daraus entstandenen Tochter auf.
Als der Tod erneut die Kinder heimsucht, kämpft sie ein weiteres Mal vergeblich gegen ihn. Nachdem sie ihre Tochter beerdigt hat, sinnt sie auf einen Weg, den Tod umzubringen.
Ihre Rache gegen ihren Vergewaltiger spielt nur eine untergeordnete Rolle in der Geschichte. An ihm erprobt sie lediglich ihre Methode, gegen den Tod zu kämpfen, ihren eigentlichen Feind, der ihr gleich zwei Mal auf grausame Weise ihre Familie beim Knochenbrechfieber genommen hat. Resti schafft es auch tatsächlich, den Mann mit bloßen Händen zu töten.
Als sie jedoch eine Begegnung mit dem Tod sucht, kommt es zu einem sehr ungewöhnlichen Ausgang: sie schafft es tatsächlich, den Tod das Rückgrat zu brechen, doch mit einem Trick bringt er sie dazu, sich ihm zu nähern und streift ihr seinen Ring über. Somit übernimmt Resti fortan seine Rolle und holt die Kinder, die am Knochenbrechfieber leiden.
Der Tod ist mißgestaltet, grotesk und hat ein Narbengesicht. Er trägt einen schwarzen Opalring an der Hand und ein scharfes Fischermesser an der Seite, und er ist eine Frau.
Aber das Messer kommt nie aus der Scheide.
Und die Kinder sterben sanft im Schlaf.
Diesen Schluß fand ich überraschend und grandios. Ich habe ohnehin eine Vorliebe für etwas bittere Enden. In den Anthologien waren einige Heldenpaare, die zusammen ihre Gefahren überstehen und dann Seite an Seite witzelnd in den Sonnenuntergang reiten. Diese Geschichten und sympathischen Helden sind mir nicht im Gedächtnis geblieben, auch die Art ihrer Abenteuer sind mir entfallen.
Aber solche Geschichten, mit einem bittersüßen Ende oder einer ganz besonderen Auflösung haben sich in mich eingebrannt.
Diese Geschichte nehme ich seit Jahren als Beispiel, wenn über die Meisterschaft des letzten Satzes diskutiert wird. Ich versuche auch immer, einen besonderen letzten Satz einzubauen, was mir so mittelmäßig gelingt. So kurz und knackig wie Arthurs bekomme ich es noch nicht hin, auch nicht wenn ich mit einem ganzen Absatz vorarbeite.
Vielleicht kann ich mich einfach nicht kurz fassen.
Heute würde man eine solche Kurzgeschichte vermutlich nicht mehr schreiben, da Resti abgesehen von ihrer Familie einer durchweg negativen Umwelt entgegen steht. Das ist weder realistisch noch ermutigend. Es ließe sich auch mit anderen Mitteln eine Situation schaffen, in der eine Frau es ganz alleine mit dem Tod aufnehmen muss. Und es ließe sich vielleicht auch eine andere Möglichkeit finden, einen kleinen Antagonisten zum Üben ihrer Kampfmethode zu finden.
Doch obwohl die Geschichte durch die Diversity-Bewegung in der Phantastik etwas überaltert ist, hat immer noch einen besonderen Platz bei mir. Sie ist sehr gut geplottet, und ich selbst baue auch in der Regel einen kleinen und einen großen Antagonisten ein. Ob ich mir das von genau dieser Geschichte abgeschaut habe, weiß ich nicht mehr, aber definitiv von der Sword and Sorceress Serie.
Mt den beiden kleinen Szenen über den Tod, der in Zeiten des Knochenbrechfiebers ausfährt, wird die Geschichte wie mit einer Klammer eingerahmt. Ich habe eine Vorliebe für Symmetrie, so dass das zweimalige Auftreten dieser auktorial erzählten, märchenhaften Szenen mich ganz besonders angesprochen hat.
Auch wenn die Geschichte, sei es nun durch den Autor oder durch den Übersetzer, mich den Gebrauch des Semikolons gelehrt hat und es meine Schreibgruppe einige Mühe gekostet hat, mir die übermäßige Verwendung wieder abzugewöhnen, nehme ich jedes Mal etwas Hilfreiches mit, wenn ich die Geschichte wieder aufschlage.
Das ist meine Lieblingskurzgeschichte aus all den Büchern der – Schwestern Serie, die ich gelesen habe. Danke für die tolle Rezi.