Interview mit dem Gewinner des DPP 2018, Gerd Scherm

Kurzbio:
Gerd Scherm, 1950 in Fürth geboren und aufgewachsen, lebt in einem alten Fachwerkgehöft bei Colmberg. Seine literarische Bandbreite umfasst Lyrik, Theaterstücke, Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten, Satiren und Essays. Sein Roman „Der Nomadengott“ wurde mehrfach ausgezeichnet.

Herr Scherm, herzlichen Glückwunsch nochmals zum Deutschen Phantastik Preis für Ihre Kurzgeschichte „Der geheimnisvolle Gefangene“!

Vielen Dank!

Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit an dieser ungewöhnlichen Anthologie?

Der Herausgeber Alex Jahnke hat die Autoren ausgewählt und eingeladen. Es war also keine der sonst üblichen offenen Ausschreibungen, sondern eine gezielte Einladungsanthologie.

Wie war es für sie, eine Kurzgeschichte in dem Universum eines anderen Autors zu schreiben? Ist es einfacher, einen Zugang zu der Geschichte zu finden, wenn der Weltenbau vorgegeben ist?

Die bekannteste Art in das Universum anderer Autoren einzutauchen, ist die fan fiction. Aber ich denke, wir leben unser ganzes Leben in einem fremden Universum, zu dem wir irgendwie einen Zugang finden müssen. Das Eintauchen in einen anderen Weltenbau ist für Autoren das Übliche, egal ob sie einen historischen Roman schreiben, Science Fiction, Phantastik oder einen Kriminalroman. Der „Weltenbau“ ist immer vorgegeben und die Autoren beeinflussen ihn nur mehr oder weniger.

Ihre Geschichte unterscheidet sich stilistisch stark von einigen anderen in dieser Sammlung. Warum haben Sie sich relativ eng an Karl Mays Sprachstil orientiert?

Vorgabe war bei dieser Anthologie, dass Nebenfiguren von Karl May im Mittelpunkt stehen sollten. Also nicht die Stars wie Winnetou und Old Shatterhand, sondern die „underdogs“ der Geschichten. Ich fand, dies wird am deutlichsten, wenn ich mich sprachlich stark an Karl May orientiere – zum Beispiel durch das Einbringen indianischer Sätze oder durch eine detaillierte Schauplatzbeschreibung.

Dazu habe ich direkt eine weitere Frage: ich kenne alle Karl-May-Filme, die Bücher leider nicht so genau. Sächselt Tante Droll bei May wirklich ebenfalls?

Tante Droll und Hobble-Frank sind bei Karl May Vettern, die sich seit ihrer Kindheit in Sachsen kennen. Sie benutzen in Mays Romanen immer wieder Sächsisch, quasi als Geheimsprache, damit die anderen nicht verstehen, was sie reden. Auch der exzessiv falsche Gebrauch von Fremdwörtern war ein Markenzeichen von Hobble-Frank, das Karl May gerne zur Belustigung seiner Leser eingesetzt hat.

Sie haben schon einmal Phantastik und Western miteinander vermischt. Planen Sie noch mehr Werke in diesem Mix?

Derzeit werden zwei Figuren aus Steampunk-Western-Geschichten von mir als Comic-Helden umgesetzt. Das ist für mich eine völlig neue Erfahrung. Ich bin schon sehr neugierig auf das Ergebnis.

In der Phantastik gab es in den letzten Jahren vermehrt die Neigung, Figuren in den Mittelpunkt einer Erzählung zu stellen, die wir normalerweise als den Antagonisten begreifen würden.
Was faszinierte sie an einem Westmann, der Menschen aus Gefahr rettet, ohne einen Lohn zu verlangen und bedingungslos auf der Seite des Guten steht?

Ich wollte Karl May zu Ehren die klassische Gut-Böse-Konstellation nehmen. Der Westmann als amerikanische Version des edlen Ritters. Nachdem in unserer Zeit „Gutmensch“ zu einem Schimpfwort verkommen ist, hat ein solcher literarisch einen schon fast exotischen Reiz.

Viele unserer Leser planen eine Einsendung zu einer Anthologieausschreibung – für einige ist es das erste Mal. Haben Sie einen Ratschlag? Was macht eine gute Kurzgeschichte aus?

Eine gute oder gar eine besondere Kurzgeschichte zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf eigene Weise erzählt wird und überraschende Elemente enthält. Es gibt nichts Langweiligeres als eine vorhersehbare Geschichte. Das Besondere an meiner Story „Der geheimnisvolle Gefangene“ war der persönliche Bezug zu Karl May, der sich erst in der Nachbemerkung enthüllt.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

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Die Anthologie „Reiten wir! Phantastikautoren für Karl May“ ist im Buchhandel oder direkt bei dem Verlag bestellbar und auch als Ebook erhältlich.

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