[Interview] Markus Heitkamp, Autor & Herausgeber

Kurzbio:
Markus Heitkamp, Jahrgang 1969, wuchs in Datteln am Rande des Ruhrgebietes auf. Das Lesen und Schreiben wurde sein steter Wegbegleiter, nachdem er im Alter von sechs Jahren „Der kleine Hobbit“ gelesen hat. Mit seinem schriftstellerischen Schaffen trat er im Jahr 2012 erstmals ins Licht der Öffentlichkeit und ist seitdem eine feste Größe in der Phantastik. Markus Heitkamp ist auf vielen großen und kleinen Buchmessen anzutreffen, oft in der Nähe seines Hausverlages Verlag Torsten Low.

Lieber Markus, vielen Dank für das Interview! Unsere Leser sind sehr neugierig, was ein Herausgeber macht und wie man sie von den Geschichten überzeugt.

1. Wie wurdest du das erste Mal Herausgeber bei einer Anthologie? Und bei welchen hast du seitdem als Herausgeber mitgewirkt?
Das erste Mal Herausgeber wurde ich, als Wolfgang Schroeder einen Mitherausgeber suchte. Das waren die Phantastischen Sportler. Ich hatte schon häufiger im Hintergrund als Ideengeber für Anthologien fungiert, aber die Anfrage von Wolfgang war die erste. Mittlerweile bin ich allerdings noch bei drei weiteren Anthologien als Herausgeber tätig, über die ich aber leider noch Stillschweigen wahren muss.

2. Was sind deine Auswahlkriterien bei Kurzgeschichten?


Für mich zählen drei Faktoren.
1. Sind die „äußeren“ Kriterien/Anforderungen erfüllt. (Also Zeichen-/Wortzahl, Format usw.) In diesem Punkt bin ich tatsächlich sehr konsequent. Steht da 50.000 Zeichen/5000 Wörter, dann lasse ich eine Toleranz von 1% zu, ansonsten geht die Geschichte postwendend zurück oder wird nicht berücksichtigt.
2. Kreativer Umgang mit dem Anthologie-Thema. Kommen wir später noch einmal zu, aber für mich ist es wichtig, dass der Autor das Thema beherrscht und auch einmal ein wenig kreativer mit einer Herausforderung (was ja jede Ausschreibung ist) umgeht. Ich bringe hier immer wieder das Beispiel „Irrlichter“, Verlag Torsten Low an, wo ich selber keine Idee hatte und auch nicht begeistert von dem 0815 Licht/Moor/Leiche-Plot war. Bis mir irgendwann die Idee der personifizierten Lichter kam, die letztendlich einen kleines, vollkommen verwirrt durch die Gegend laufendes Licht hervorbrachte. Das Irrlicht halt.
3. Handwerk. Ich verlange keine fehlerfreie und stilistisch einwandfreie Einsendung, aber wenn ich in einem eingereichten Text von 5000 Wörtern, 30 Rechtschreibfehler, 20 Satzzeichenfehler, 80 Wortwiederholungen usw. habe, dann hat es dieser Beitrag wesentlich schwerer als andere.

3. Deine eigenen Kurzgeschichten sind besonders ungewöhnlich und voll schriller Ideen. Kann eine Geschichte, obwohl sie etwas mehr Lektoratsschliff benötigt als andere, bei dir durch ungewöhnliche Ideen punkten?

Auf jeden Fall. Aber nicht auf Teufel komm raus. Die Idee muss auch funktionieren. Auch hier möchte ich ein Beispiel nennen. Wenn die Ausschreibung verlangt, dass witziger Horror eingereicht werden kann, dann fände ich eine Hardcore-Splatter Einreichung in der ein Protagonist Peter Lustig heißt, in einer Latzhose herumläuft und im Stil einer „Erklärbarsendung“ seine Morde verübt tatsächlich originell. (Ja, ich bin einfach zufrieden zu stellen.) Wenn allerdings ein Mörder in der Geschichte versucht, durch schlechte Witze zu töten, dann ist das literarisch schwer darzustellen und würde wahrscheinlich nicht funktionieren. Ausgefallene Ideen ja, aber trotzdem nach dem Motto, Schuster bleib bei deinen Leisten. Es muss bei skurrilen Ideen schon auf den Punkt genau passen.

4. Was ist der häufigste Fehler, den Autoren bei der Einsendung zu einer Ausschreibung machen?

Och, da gibt es eine Menge. Wenn es tatsächlich bei der Frage um die Einsendung an sich geht, dann zunächst einmal, dass die verlangte äußere Form nicht eingehalten wird. Auch finde ich es immer wieder Schade, dass die Namen der Herausgeber oder der Verlag einfach falsch geschrieben werden. Ich sehe das wie bei einer Bewerbung, wenn schon das Anschreiben Scheiße ist, dann habe ich keine Lust mehr auf die Geschichte. Sorry, ist ein wenig platt, beinhaltet aber viel Wahrheit. Inhaltlich habe ich wahrscheinlich schon in der vorhergehenden Fragen und noch kommenden Fragen genug zu diesem Thema geschrieben.

5. Merkt man vielen eingesendeten Geschichten an, dass sie ,aus der Schublade‘ genommen und auf gut Glück eingesendet wurden? Hast du schon einmal eine Geschichte angenommen, bei der sich später herausstellte, dass sie älter ist, oder sind sie alle für diese Ausschreibung geschrieben worden?

Das findet man häufiger. An sich ist da auch nichts falsch dran, eine Geschichte liegen, ruhen und reifen zu lassen. Was aber häufig vergessen wird ist, diese Geschichte, wenn es soweit ist, auf die aktuellen Anforderungen anzupassen. Wenn das nicht passiert, dann merkt man tatsächlich beim Lesen der Story, dass sie eigentlich gar nicht für explizit diese Ausschreibung geschrieben wurde.

6. Wenn du eine Geschichte für ,sehr gut‘ befindest, hat der Autor erst eine Hürde genommen. Es ist noch ein weiter Weg bis in die Endauswahl. Warst Du mit deinen Mitherausgebern und den Verlegern immer einig, oder musstest Du schon einmal eine gute Geschichte ziehen lassen?

Erstaunlicher Weise waren sich meine Mitherausgeber und ich oder auch die Verleger, die in der Regel das letzte Wort haben, immer einig. Das man eine gute Geschichte ziehen lassen muss, hat meist andere Gründe. Eine Anthologie, 20 Geschichten sind gesetzt und du hat 80 Einreichungen. Nach Vorauswahl, zweiter Auswahl und letzter Auswahl bleiben immer noch 21 Geschichten, die absolute Spitzenklasse sind. Und jetzt hast du 2 Geschichten, die inhaltlich auf höchstem Niveau, aber thematisch absolut gleich sind. Dann muss eine gehen und da entscheidet im Extremfall sogar das Los.

7. Was passiert, nachdem du deine Auswahl an den Verleger geschickt hast? Bist du dann fertig, oder kommen noch weitere Aufgaben auf dich zu?

Natürlich ist dann noch lange nicht alles vorbei. Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ich bei Werbung, Autorenauswahl, Messen- und Cons, Lesungen usw. unterstütze. Auch wenn ich selber keine Geschichte beisteuere, so ist das Buch ja auch mein Baby.

8. Was können Autoren vom Kurzgeschichten schreiben lernen?

Die Frage mag ich nicht. Ich schreibe auch ehrlich, warum Die Kurzgeschichte ist nichts, von der man lernen kann, sondern eine Form der Literatur, die man lernen muss. Heißt, für mich hat die Kurzgeschichte einen absolut identischen Stellenwert zum Roman oder zur Novelle, usw. Ich kenne Autoren, die schreiben 900 Seiten Romane und schaffen es nicht, eine vernünftige Kurzgeschichte zu schreiben. Umgekehrt ist das aber auch so. Was man bei jeder Art der Umsetzung einer eigenen Idee lernen kann und lernen muss ist es, fertig zu werden. Und dann muss das fertige am besten auch noch richtig gut sein. Und diese Qualität ist bei Kurzgeschichten, wie bei Romanen usw. eine identische Herausforderung, die evtl. nur mehr oder weniger Zeit kostet.

9. Was für einen Rat gibst du einem Autor, dessen Geschichte abgelehnt wurde? Woran merkt man, ob sie nicht gut genug war oder einfach nicht dazu passte?

Das kann man auf zwei Wegen merken. Man liest die Geschichten, die letztendlich angenommen wurden und vergleicht sie mit der eigenen. Die zweite und in meinen Augen wesentlich bessere Möglichkeit ist es, mit den Herausgebern in Kontakt zu treten und „höflich“ nachzufragen. Das Höflich habe ich bewusst in Anführungsstriche gesetzt, weil es auch Autoren gibt, deren Kurzgeschichten sind immer die besten und die haben kein Verständnis dafür, warum genau ihre nicht in der Anthologie ist und … solche Anfragen ignoriere ich in der Regel.

10. Gerade hat eine ungewöhnliche Kurzgeschichte beim DPP gewonnen. Bei welchem Fandom könntest Du Dir vorstellen, als Autor oder Herausgeber eine Kurzgeschichte beizusteuern?

Dazu möchte ich tatsächlich nichts sagen, außer vielleicht, dass im März Deutschlands größte Anthologie erscheinen könnte, bei der ich der Herausgeber sein könnte und alles möglich passieren könnte und welche definitiv mit G anfangen könnte … und dann habe ich noch ein weiteres obergeheimes Projekt in der Tasche, welches ich auf der Buch Berlin mit einem Verleger bespreche. Auch bei dem 2. Projekt möchte ich keinen Hinweis auf das Fandom geben, aber vielleicht einen winzigen Ausblick auf die Idee. Es hat was mit Bill Bo, dem Räuber Hotzenplotz, der wilden Dreizehn und anderen Räuberpistolen zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch! Seit dem Interviewtermin ist die Anthologie „German Kaiju“ erschienen (im Rahmen des KGFestival vom Bloggerteam Trimagie rezensiert).
Markus Heitkamp ist gleich 3 x beim DPP nominiert: mit der Anthologie „Geschichten aus den Herbstlanden“, mit der Anthologie „The P-Files“ und in der Kategorie „Beste Kurzgeschichte“ mit seinem Werk „Housten hat probleme“ aus dem P-Files. Abstimmen darf jedermann ohne Anmeldung (Name und Mailadresse werden nur kurzfristig gespeichert) und zwar hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert